Wo in der Welt bin ich?

03/2014

Wie die Zeit dahinfliegt und die Welt mit ihr! Vor einem Monat war ich noch auf Maui – auf der anderen Seite des Planeten von dieser Prager Wohnung aus gesehen, in der ich gerade meinen ersten Workshop der bevorstehenden 8-monatigen europäischen Saison vorbereite. In den vergangenen Wochen waren Martina und ich in Brasilien, zunächst in der seligen Abgeschiedenheit eines wundervoll altertümlichen Dorfes an einer Flussmündung in Bahia, und dann bei unserem tropischen Ferienworkshop High on Life in Ciranda, Cariocas amazonasgleichen Gemeinschaft außerhalb von Rio. Unmöglich, diese Erfahrung in ein paar Worten zusammenzufassen! Während ich dies hier eintippe, halte ich inne und lausche und bin wieder dort: innere Stille und um uns herum das unaufhörliche rhythmische Summen des Dschungels. Wenn ich die Augen schließe, finde ich uns, ein Kreis aus Männern und Frauen, von Carioca durch die nächtlichen Rituale geführt und abwechselnd singend und schweigend – und voller Bewunderung für die musikalische Virtuosität dieses Mannes erheben wir uns auf visionären Schwingen, die uns ins Reich der Mystik befördern.

Meine Phantasie wird erfüllt von einer anderen Nacht, Karneval in Rio, und die stille Kontemplation explodiert zu einem mehrdimensionalen Fest der Sambatrommeln. Verwirrend surreale Kreationen aus Abfallmaterialien, so fabelhaft und einfallsreich wie Science Fiction aus Hollywood, werden eskortiert von gewöhnlichen Menschen, die sich in Kreaturen, Götter, Göttinnen, Helden und Schurken verwandelt haben, und immer dazu die exotisch-erotischen Körper, die das sexuelle Lebenselixier des Sambas tanzen.

Und dann sind da die Tage, die wir gemeinsam im Kreis verbringen. Sie erzählen andere Geschichten: vom füreinander Öffnen, vom Öffnen für uns selbst durch andere und vom Lernen als Meditation der Hingabe – mit inneren und äußeren Auseinandersetzungen! – an jene Unzulänglichkeiten, die nur uns stören, die zahlenden Gäste. In diesem entspannten Land, das immer noch planlos aus der dritten in die erste Welt hineinstolpert, wundern sich die Einwohner, dass uns das etwas ausmacht! Brasilien ist immer noch nicht ganz dem Klischee entwachsen, das ihm seit Mitte des letzten Jahrhunderts folgt – „das Land der Zukunft, das es immer bleiben wird“.

Nicht nur in unserer abgelegenen Dschungeloase ist das so. Rio besteht derzeit aus einem verrücktes Labyrinth aus Baustellen für Straßen, die später die WM-Horden und danach die der Olympischen Spiele aufnehmen sollen. Die Gegenwart ist in der Tat ein zukunftsorientierter Verkehrsstau. Und natürlich ist die Gegenwart niemals wirklich irgendeine Art von Stau. Sie ist einfach.

Damals im Jahr 1935 – ob vor oder nach unserer Zeitrechnung ist egal – schenkte uns T.S. Eliot den „Stillpunkt der kreisenden Welt“. So begann mein Jetlag-geplagter Tag heute morgen. Der Stillpunkt ist dort, wo ich wieder zuhause bin, egal wo ich bin oder wie meine Welt von einer Szene zur anderen wirbelt, von einem Land zum anderen, einer Jahreszeit zur anderen, einer Zeit zur anderen. Nur hier und jetzt kommt alles zur Ruhe. Nur hier und jetzt ist alles real. Wo auch immer ich in diesen vergangenen Wochen war, am schönsten ist es immer hier und jetzt.