Warum MYSTISCHES Tantra?

03/2013

Beim Tantra geht es nicht darum, wunderbaren Sex zu haben. Es geht darum, mit unserem gesamten Wesen offen und wach zu werden – wodurch Sex genauso wunderbar wie jede andere Erfahrung wird. Oft ist das heutige westliche Tantra auf den Genuss und die Schönheit ausgerichtet, die man in sexueller und sinnlicher Intimität finden kann, und das ist gut so, denn es hilft den Menschen, sich von den starken Konditionierungen zu befreien – ob unterdrückend, schamvoll, missbräuchlich und sexistisch oder lediglich grob und bagatellisiert –, die immer noch die sexuellen Verhaltensmuster der Allgemeinheit prägen. Außerdem ist es gut, weil die Vorstellung von mehr Freude am Sex eine Menge Leute anzieht, die sonst nicht die tieferen und höheren Mysterien entdeckt hätten, die jenseits vom Eingangsbereich der erotischen Genüsse liegen. Man kann sie auch durch Zen-Meditation entdecken, aber da gibt es nicht so viele Interessenten.

Wenn wir uns über den Eingangsbereich hinaus trauen, dann erleben wir nicht nur mehr, sondern WERDEN so viel mehr zu unserer eigenen Magie und Schönheit: einfühlsamer, sensibler, spielerischer, kreativer, liebevoller, verständnisvoller, intuitiver, vertrauensvoller, anmutiger, leidenschaftlicher und auch gelassener. Wenn wir unser inneres Wesen immer weiter öffnen, dann öffnen wir uns eines Tages für die Dinge, die jenseits von dieser Welt liegen – sogar jenseits von uns selbst. Wir kommen zu unserer Seele, zur Brücke, auf der wir zwischen unserem Dasein und der Ewigkeit balancieren und offen für beides sind. Was auch immer wir jetzt tun, es geschieht mit Seelenbewusstsein.

Die tantrische Reise ist diese innere Entwicklung vom Wahrnehmen zum Fühlen zum Herzen zum Wesen zur Seele. Auf der Reise wird unser Leben zu einem mystischen Abenteuer, und während wir immer geübter darin werden, mit allem zu sein, was das Leben bringt, sind wir weder an dieses Abenteuer gebunden noch dadurch eingeschränkt. Wir spielen, arbeiten, lieben und machen Liebe mit totaler Präsenz, und bei alldem sind wir eins mit dem ewigen Geist: Das ist die Bedeutung von mystisch.

Genau darum geht es beim Tantra, aber weil Tantra genauso gut nur die Vorrunde im Eingangsbereich bedeuten kann, nenne ich es lieber Mystisches Tantra. Wenn wir nie über den Eingangsbereich hinaus gelangen, sind wir begrenzt in unserem Begehren, so angenehm dieser Zustand auch sein kann. Was zählt, ist immer die Erfahrung. Sind wir genügend eingestimmt, um zu merken, dass wir trotz der Belohnung nach wie vor Sehnsucht haben, dann müssen wir weiter hineingehen. Auf der Suche nach dem, was uns immer noch fehlt, entdecken wir, WER uns immer noch fehlt. Was für Erfahrungen wir dabei auch machen: Unser Abenteuer wird zum Streben nach der Transformation des Erfahrenden. Das ist mystisches Tantra.