Auszug aus einem Gespräch mit Teilnehmern des Love, Sex and Shadows-Workshops für Paare letzten Monat in Tschechien.
Den größten Teil dessen, was wir in der Schule lernen – das, was wir Bildung nennen –, kann man zusammenfassen als „darüber nachdenken“. Lernen, mit dem ganzen Wesen präsent zu sein oder wirklich zu erleben, was gerade passiert? Fehlanzeige. Lieber nur darüber nachdenken und darüber reden können und scheinbar intelligente Dinge dazu zu sagen haben. Dann hält man dich für gebildet. Wenn andere Leute dasselbe tun – und das tun viele –, dann fällt ihnen gar nicht auf, dass du das Leben denkst, statt es zu erfahren. Viel von dem Geschwätz ist nur angenehmer Lärm, der übertönen soll, dass niemand anwesend ist!
Das ist der große Bärendienst, den uns die Schule erwiesen hat. Wenn wir lernen, das Leben zu denken, sind wir geschützt davor, allzu viel zu fühlen – besonders Verletzlichkeit, die immer noch für viele Menschen ein solches Tabu ist. Aber Tatsache ist: Wenn wir das Leben ganz erfahren wollen, müssen wir auch fühlen können, wie es uns berührt. Und das geht nur dann, wenn wir zu allen unseren Gefühlen ein freundschaftliches Verhältnis haben. Sonst lehnen wir unser Innenleben ab und tun es ebenso bei anderen. Verachtung, Sarkasmus, Mobbing, Einschüchterungen, auch Witzeleien oder nur Bla-Bla – alles nur, um das Innenleben auszuschließen, das wir zu meiden gelernt haben. Hier haben unsere Bildungssysteme versagt, und es ist ein gewaltiges Versagen.
Wenn du einmal darauf achtest, kannst du sehen, wie deine Persönlichkeit dafür sorgt, dass du nichts von dem fühlen musst, was du in dir selbst meidest. Und du erkennst die Spielchen, mit denen deine hoch entwickelte Persönlichkeit alles unter Kontrolle behält. Es ist nicht weiter überraschend, dass es so ist. Die Imagebesessenheit unserer Kultur ist das Produkt ihrer eigenen Schulbildung. Man weiß nichts Besseres, als zu glauben, dass unsere Persönlichkeit das ist, was wir wirklich sind. Schau dir doch mal an, wie die Persönlichkeit von den Medien vergöttert wird! Das Verrückte daran ist, dass es unsere Persönlichkeit ist, die unser wahres Wesen verbirgt.
Von daher möchte ich dich heute Abend mit deinem Partner zu einer Zeremonie einladen, bei der ihr angeleitet werdet, die Verkleidung eurer Persönlichkeit abzulegen, so dass ihr euch auf eine wirklich sehr magische Weise begegnen könnt. Wenn nämlich eure Beziehung von eurer Persönlichkeit bestimmt wird, dann muss sie ständig die Möglichkeit von tiefer Intimität sabotieren, denn die Persönlichkeit interessiert sich nur für ihr eigenes Überleben. Sie ist nichts weiter als eine Verkleidung, die denkt, sie wäre das, was du wirklich bist. Und sie bestimmt, was passiert; ihre tiefste Absicht ist zu bestimmen, was passiert, und das verhindert, dass du je die Wahrheit über dein wirkliches Wesen entdeckst. Nur du mit deinem gesamten offenen, wahrnehmenden und fühlenden Wesen kannst jemals die Magie und das Mysterium einer Begegnung mit einem anderen erleben, der auch mit seinem ganzen Wesen da ist. Oder eine Begegnung mit dir allein, ganz im Kontakt mit dir und so in einer intimen Beziehung zum Leben selbst. All das geschieht, weil du Freundschaft mit deinem Gefühlsleben geschlossen hast.
Vor langer Zeit in den 1920er Jahren hat es D. H. Lawrence so wunderschön in Lady Chatterleys Liebhaber ausgedrückt, seinem großartigen Roman, in dem die sexuelle Liebe zelebriert wird: „Wenn du dein Leben lebst, bist du in gewisser Weise ein organisches Ganzes mit allem Leben. Aber wenn du erst einmal mit dem geistigen Leben begonnen hast, pflückst du den Apfel. Du hast die Verbindung zwischen Apfel und Baum getrennt: die organische Verbindung. Und wenn du außer dem geistigen Leben nichts anderes im Leben hast, dann bist du selbst der gepflückte Apfel, dann bist du vom Baum gefallen.“